Hinduistischer Verhaltenscode

Hinduistischer Verhaltenscode

20 Regeln für Spirituelles Leben in der Gegenwart


EINFÜHRUNG

Wie oft begegnet Ihnen eine Gruppe professioneller Leute, die sich im Berufsleben schlecht benehmen? Sie sind auf einem Flug von San Francisco nach Singapore. Streiten sich die Flugbegleiter in den Gängen? Natürlich nicht. Leute auf diesem Niveau in der Geschäftswelt haben Kontrolle über ihre Gedanken und Gefühle. Hätten sie diese nicht, dann würden sie schon bald ersetzt. Wenn sie ihren Job machen, dann folgen sie einem Verhaltencode, den das Unternehmen detailliert vorgibt. Dies ist nicht unähnlich dem moralischen Code jeder anderen Religion, den ethischen Umgangston hinsichtlich des Respektes und der Harmonie gegenüber den Menschen zu skizzieren. Dabei geht es darum, in dem Bestreben erfolgreich zu sein, den moralischen Code zu erfüllen, sei es im Job oder ausserhalb. Beinhaltet der Hinduismus und seine Schriften über Yoga so einen Code? Ja, 20 ethische "Richtlinien", sogenannte Yamas und Niyamas, Beschränkungen und Befolgungen. Diese "Dos" und "Dont's" wurden in den 6000-8000 Jahre alten Veden gefunden, den ältesten Schriften der Menschheit, sowie in den heiligen Texten, die den Weg des Yoga auslegen.

Die Yamas und die Niyamas sind ein Common-Sense(gesunder Menschenverstand)-Code, aufgezeichnet im letzten Teil der Veden, den sogenannten Upanishaden, dem Shandilya und Varuha. Sie wurden auch gefunden im "Hatha Yoga Pradipika" von Gorakshanatha, dem Tirumantiram von Tirumlav und in den Yoga-Sutren des Patanjali. Die Yamas und Niyamas wurden durch die Jahrhunderte bewahrt als eine Grundlage, die erste und zweite Stufe, von dem achtfachen Weg des Yoga. Immer noch sind sie grundlegend für alle, von jedem angestrebte Ziele in der Gesellschaft, sowie völlig intakte Voraussetzung für all diejenigen, die nach dem höchsten Ziel streben, genannt Yoga.

Der heilige Patanjali (ca. 200 vor Chr.), der ehemalige Begründer des Raja-Yoga, erzählte uns, "diese Yamas sind weder begrenzt durch Klassen, Länder, Zeit (Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft), noch durch die Situation. Daher werden sie "die großen universellen Gelübde" genannt."

Der Yogischüler Swami Brahmananda Saraswati enthüllte die innere Wissenschaft von Yama und Niyama. Sie sind die Werkzeuge (Hilfsmittel), sagte er, um das Vitarkas zu kontrollieren, d.h. die brutalen geistigen Wellen oder Gedanken, so bei Aktionen mit dem Ergebnis von Verletzungen von Anderen, Untreue, Hamsterei, Unzufriedenheit, Unduldsamkeit oder Selbstsucht. Er behauptete, "für jede Vitarka, die du hast, kannst du das Gegenteil kreieren (schaffen) durch Yama und Niyama, um dein Leben erfolgreich zu gestalten".

Die folgenden Kapitel mit begleitenden Illustrationen von A. Manivel von Chennai, erläutern die Yamas und Niyamas. Zuerst werden die ersten 10 Yamas vorgestellt, die Do not's (Beschränkungen), welche die instinktive Natur bändigen; mit ihnen werden Angstimpulse beherrscht, wie Wut, Eifersucht, Selbstsucht, Gier und Begierde. Zweitens werden die zehn Niyamas illustriert, die Do's (Befolgungen), die religiösen Richtlinien, die die verfeinerten Seelenqualitäten kultivieren und stärken, wie die Achtsamkeit in das Bewußtsein der höheren Chakren der Liebe, des Mitgefühls, der Selbstlosigkeit, Intelligenz und der Glückseligkeit. Zusammen helfen die Yamas und die Niyamas die Grundlage unserer Yoga Praxis zu unterstützen, so dass Kenntnisse über höheres Bewußtsein nachhaltig unterstützt werden können.

Die 10 vedischen Beschränkungen / Yamas


Yama 1: NICHTVERLETZEN / AHIMSA

Praktiziere "Nicht zu verletzen", andere (in) Gedanken nicht zu verletzen oder mit Worten und Taten, auch nicht in deinen Vorstellungen (Träumen). Lebe ein freundliches Leben, achte alle Lebewesen als Ausdruck der Einen Göttlichen Energie. Lass ab von Angst und Unsicherheit, den Quellen von Missbrauch. In dem Wissen, dass Verletzen von Anderen unmittelbar zurückfällt auf einen selbst, friedlich zu leben mit der Göttlichen Schöpfung. Niemals eine Quelle von Furcht, Schmerz oder Verletzen zu sein. Folge einer vegetarischen Lebensweise.

Yama 2: WAHRHAFTIGKEIT / SATYA

Halte dich an Wahrhaftigkeit, meide Versprechungen, Lüge und Betrug. Sag nur das, was wahr ist, freundlich, hilfreich und notwendig. In dem Wissen, dass Betrug/Täuschung Distanz schafft, hab keine Geheimnisse vor der Familie oder deinen Lieben. Sei fair, gewissenhaft und frei/offen in Diskussionen, ein Fremder gegenüber Täuschung. Stehe zu deinen Fehlern/Verfehlungen. Engagiere dich nicht bei Verleumdung, Klatsch und Tratsch. Sage nicht falsch aus gegen andere (kein falsches Zeugnis ablegen).

Yama 3: NICHTSTEHLN / ASTEYA

Behalte die Tugend des Nichtwegnehmens oder Nichtstehlens, des Nichtbegehrens oder Nichtzurückzahlens von Schulden. Beherrsche deine Wünsche/Begierden und lebe in deinen Grenzen/Möglichkeiten. Benutze nicht geliehene Ressourcen zu unbeabsichtigten Zwecken oder halte sie nicht zurück. Spiele nicht mit Anderen und betrüge sie nicht. Nimm keine Versprechungen wieder zurück. Benutze nicht die Namen anderer, ihre Aussagen, Quellen oder Rechte ohne Erlaubnis und Kenntnis.

Yama 4: GÖTTLICHE FÜHRUNG / BRAHMACHARYA

Göttliche Führung praktizieren, Begierde konntrollieren, indem man ehelos/zölibatär bleibt als Single oder treu in der Ehe. Vor der Heirat die Lebensenergie in Studien stecken, und nach der Heirat in das Wohl der Familie. Verschwende die heilige Energie/Kraft nicht in Promiskuität (Vielweiberei/Vielmännerei) in Gedanken, Worten oder Taten. Beherrsche den Gegenspieler Sex. Suche nach der heiligen Begleitung. Kleide dich dezent und sprich zurückhaltend (angemessen). Meide Pornographie, Sexwitze und Gewalt.

Yama 5: GEDULD / KSHAMA

Übe Geduld, Beherrschung von Intoleranz gegenüber Menschen und Ungeduld mit den Gegebenheiten. Sei kompromissbereit (verhandlungsbereit). Gestehe den Anderen zu, sich so zu benehmen, wie es ihrer Natur entspricht, ohne dass sie sich Dir anpassen müssen. Argumentiere nicht, dominiere die Konversation nicht oder unterbrich die Anderen nicht. Sei nicht in Eile. Sei geduldig mit Kindern und älteren Menschen. Minimiere Stress, indem du Sorgen beiseite lässt. Bleibe gleichmütig in guten und in schlechten Zeiten.

Yama 6: STANDHAFTIGKEIT / DHRITI

Pflege Standhaftigkeit, überwinde Nichtbeharrlichkeit, Furcht, Unenstschlossenheit und Wankelmut. Erreiche Deine Ziele durch Gebet, Entschlusskraft, Planung, Hartnäckigkeit und Mut (Druck). Sei fest in Deinen Entscheidungen. Vermeide Faulheit und Zaudern. Entwickle Willenskraft, Mut und Geschäftigkeit. Überwinde Hindernisse. Nörgle nie und beschwere Dich nie. Lasse nie Änderungen in Deiner Strategie zu, die aus Gegenwehr oder Angst vor Versagen resultieren.

Yama 7: MITGEFÜHL / DAYA

Praktiziere Mitgefühl, besiege Herzlosigkeit, Grausamkeit und unsensible Gefühle gegüber allen Lebewesen. Nimm Gott überall wahr. Sei freundlich zu Menschen, Tieren, Pflanzen und der Erde selbst. Vergib denjenigen, die sich entschuldigen, die wahre Reue zeigen. Pflege (Hege) Sympathie für die Bedüfnisse und für die Leiden Anderer. Ehre und betreue diejenigen, welche schwach, verarmt und älter sind oder welche leiden. Begegne familiärem Missbrauch und andere Greueltaten.

Yama 8: EHRLICHKEIT / ARJAVA

Bewahre Ehrlichkeit, entsage der Täuschung und Falschheit. Handle ehrenhaft - auch in harten Zeiten. Befolge die Gesetze, die Deines Landes und Deiner Stadt. Zahle Deine Steuern. Sei gradlinig im Geschäft. Gehe ehrlich Deiner Arbeit nach. Zahle kein Bestechungsgeld und nimm keines entgegen. Betrüge und täusche nicht, sei nicht listig, nur um ein Ziel zu erreichen. Verhalte Dich freimütig. Nimm Deine Fehler wahr und akzeptiere sie, ohne die Anderen zu beschuldigen.

Yama 9: MASSVOLLES BEGEHREN / MITAHARA

Mässige Dein Begehren, weder zu viel zu essen noch Fleisch, Fisch, Schalentiere, Geflügel oder Eier zu konsumieren. Genieße frisches und gesundes Gemüse, damit der Körper gestärkt wird. Vermeide ungesundes Essen. Trinke mässig. Iss regelmässig, nur dann, wenn Du hungrig bist und in angenehmer Umgebung, aber niemals zwischen den Mahlzeiten und in gestörter Atmosphäre oder wenn Du aufgeregt bist. Folge einer einfachen Lebensweise, vermeide zu reichhaltige oder zu üppige Lieblingsspeisen.

Yama 10: REINHEIT / SAUCHA

Halte die Ethik der Reinheit aufrecht. Vermeide Unreinheit in Geist, Körper und Rede. Halte Deinen Körper rein und gesund. Halte Dein Zuhause und Deinen Arbeitsplatz sauber und aufgeräumt. Handele tugendhaft. Bleibe in guter Gesellschaft und halte Dich nicht bei Halbstarken, Dieben und Gesindel auf. Halte Dich fern von Pornografie und Gewalt. Benutze niemals barsche, wütende oder unangemessene Sprache. Diene hingebungsvoll. Meditiere täglich.

10 Übungen der Vedischen Praxis


Niyama 1: REUE / HRI

Erlaube Dir, Reue zum Ausdruck zu bringen, bescheiden zu sein, Scham für schlechte Taten zu zeigen. Erkenne Deine Fehler. Bekenne diese und biete Wiedergutmachung. Entschuldige Dich ernsthaft bei denen, die Du verletzt hast. Lass alles los, was Dich beschäftigt, bevor Du schlafen gehst. Finde Deine Fehler und schlechten Gewohnheiten heraus und korrigiere sie. Heisse die Korrekturen als Mittel willkommen, um Dich selbst zu verbessern. Prahle nicht. Vermeide Stolz und Anmaßung.

Niyama 2: ZUFRIEDENHEIT / SANTOSHA

Nähre Deine Zufriedenheit, suche Freude und Ernsthaftigkeit in Deinem Leben. Sei glücklich, lächle und richte andere auf. Lebe in dauerhafter Dankbarkeit für Deine Gesundheit, Deine Freunde und Deine Zugehörigkeit. Beklage Dich nicht über das, was Du nicht besitzt, identifizere Dich mit dem Ewigen Du, weniger mit dem Geist, dem Körper und den Gefühlen. Halte den Überblick darüber, dass das Leben immer eine gute Gelegenheit für die spirituelle Entwicklung ist.

Niyama 3: GEBEN / DANA

Sei großzügig gegenüber Fehlern, gib freizügig ohne Gedanken an Belohnung. Spende ein Zehntel von Deinem Bruttoeinkommen als Gottes Geld, für Tempel, Klöster oder spirituelle Organisationen. Nähere Dich dem Tempel mit Spenden. Spende religiöse Literatur. Ernähre Dich und gib denjenigen, die Bedarf haben. Gib von Deiner Zeit und Deinen Talenten, ohne Lob dafür zu verlangen. Behandle die Gäste wie Gott.

Niyama 4: GLAUBE / ASTIKYA

Kultiviere einen unerschütterlichen Glauben. Vertraue fest in Gott, die Götter, den Guru und in Deinen Weg zur Erleuchtung. Vertraue den Worten Deines Meisters, den Schriften und Traditionen. Praktiziere Demut, Sadhana, um die Erfahrungen zu inspirieren, die den fortgeschrittenen Glauben aufbauen. Sei loyal gegenüber Deiner Herkunft, sei eins mit Deinem Satguru. Meide diejenigen, die versuchen, durch Argumente oder Anschuldigungen Deinen Glauben zu brechen.

Niyama 5: ANBETUNG / ISHVARA-PUJANA

Kultiviere Demut durch tägliches Dienen und Meditation. Richte einen Raum in Deiner Wohnung als Gottestempel ein. Spende Früchte, Blumen und Essen. Lerne einfach Puja und Gesänge. Meditiere nach jeder Puja, besuche den Tempel vor Verlassen Deiner Wohnung und bei Wiederkehr. Diene in herzerfüllter Demut, in dem Du die inneren Kanäle für Gott, die Götter und den Guru reinigst, damit ihre Gnade durch Dich liebevoll fließen kann.

Niyama 6: SCHRIFTEN HÖREN / SIDDHANTA SHRIVANA

Höre eifrig den Schriften zu. Studiere die Lehren und lausche den Weisen Deiner Ahnen. Wähle einen Guru, folge seinem Weg und verschwende keine Zeit, andere Wege zu erforschen. Lies, studiere und vor allem lausche den Reden und Vorträgen, durch die die Weisheit vom Wissenden zum Suchenden fließt. Vermeide Sekundärliteratur, die Gewalt predigen. Wiederhole und studiere die offenbarten Schriften, die Veden und die Agamas.

Niyama 7: WISSEN / MATI

Entwickele einen spirituellen Willen und Geist unter der Führung Satgurus. Strebe nach Wissen zu Gott, um das Licht in Dir zu wecken. Entdecke die verborgenen Lehren in jeder Erfahrung, um ein gründliches Verstehen des Lebens und Deiner Selbst zu entwickeln, durch Meditation, durch Kultivierung Deiner Intuition, in dem Du der Stille lauschst, einer kleinen inneren Stimme, um das feine Wissen der inneren Welten und mystischen Texte zu verstehen.

Niyama 8: HEILIGE GELÜBDE / VRATA

Folge den religiösen Gelübden, den Regeln und Richtlinien und zögere niemals, sie zu erfüllen. Ehrengelübde, wie spirituelle Verträge mit Deiner Seele, Deiner Gemeinde, mit Gott, mit Göttern und dem Guru. Nimm Gelübde, um der instinktiven Natur zu begegnen. Faste in regelmäßigen Abständen. Pilgere ein Mal im Jahr. Halte Deine Gelübde streng ein, sei es als Verheirateter oder als Mönch, als Single oder in einer Beziehung, als Vegetarier oder Nichtraucher, sei immer verantwortungsbewußt Deinen Ahnen gegenüber.

Niyama 9: REZITATION / JAPA

Singe jeden Tag Dein heiliges Mantra. Rezitiere den heiligen Ton, das Wort oder den Satz, der Dir von Deinem Guru gegeben wurde. Bade Dich zuerst, beruhige Deinen Geist und konzentriere Dich voll darauf, dass die Rezitation Dich harmonisiert, reinigt und aufrichtet. Beachte Deine Anweisungen und singe die vorgeschriebenen Wiederholungen ohne Fehler. Lebe frei von Wut, so dass die Rezitation Deine höhere Natur stärkt. Lass durch die Rezitation Deine Gefühle fließen und den Strom Deiner Gedanken beruhigen.

Niyama 10: EINGESCHRÄNKTE LEBENSWEISE / TAPAS

Praktiziere eine eingeschränkte Lebensweise, das heißt ernsthafte Disziplin, Buße und Opferung. Sei innig im Dienen, in der Meditation und beim Pilgern. Sühne für Missetaten durch Buße (prayashchitta), sowie durch 108 Niederwerfungen und durch Fasten. Leiste Sebstverleugnung, gib die festgehaltenen Besitztümer, Geld und Zeit auf. Erfülle streng die Einschränkung der Lebensweise von speziellen Zeiten unter der Führung eines Satgurus, um das innere Feuer der Selbsttransformation zu zünden.